DAS NICHTKOMMUNIZIEREN DER GRÜNEN

Im April 2018 lernte ich Werner Kogler, den jetzigen Vizekanzler, persönlich bei einer Veranstaltung der AUGE/UG in Linz kennen. Im Vorfeld habe ich damals AUGE/UG-Chef Martin Gstöttner gebeten, bei Kogler nachzufragen, ob er mir für ein kurzes Interview für die Freien Radios zur Verfügung stehen würde, ich erhielt eine Zusage. Bei unserem Gespräch habe ich auch etwas kritisch wegen der Anschuldigungen punkto sexueller Übergriffe von Peter Pilz bei einer Mitarbeiterin der Grünen nachgefragt. In den Medien wurde ja kolportiert, dass diese Mitarbeiterin monatelang bei Vorfällen Protokoll darüber geführt hätte. Ich war darüber insofern irritiert, da von meinem Zugang her nach spätestens drei Vorfällen Schluss damit sein muss und ich es nicht für zielführend halte, Übergriff für Übergriff zu protokollieren und die Sache mal einfach weiter laufen zu lassen. Von meinem Gefühl her, kam meine Frage nicht so gut an. Selbstverständlich parierte Kogler in geübter Manier, aber so ganz glücklich war er meines Erachtens nicht. Trotzdem bat er mich, ihm das Interview möglichst rasch zur Verfügung zu stellen, er würde es gerne in den sozialen Netzwerken verwenden – speziell auch im Hinblick auf die damals bevorstehende Landtagswahl in Salzburg. Na ja meinte ich, ich hätte gerade noch eine andere Geschichte fertig zu stellen, aber okay – ich ziehe das heutige Gespräch vor. Am gleichen Abend schickte ich ihm das geschnittene Interview! Ich habe nie wieder etwas von ihm gehört, nachdem ich auch nachvollziehen kann, wie oft meine Radiobeiträge gestreamt werden, war mir klar, es wurde von seiner Seite her sicher nicht verwendet. Ich habe mich noch zweimal bei ihm per Mail gemeldet, da ich sicher gehen wollte, dass die Übermittlung an ihn funktioniert hat. Keinerlei Reaktion mehr von seiner Seite!

Bereits vor der Nationalratswahl 2017 schrieb ich der Zeitschrift der OÖ. Grünen „Der Planet“ folgenden Leserbrief, den ich auf Grund der damals aktuellen Entwicklungen (Ausstieg der Jungen Grünen, neuer Job für Eva Glawischnig im Glückspielbereich bei Novomatic, Ausstieg Peter Pilz …) aber keine Veröffentlichung fand und ich in diversen Diskussionen in meinem privaten Umfeld schon erkannte, dass bei den Nationalratswahlen für die Grünen nichts zu gewinnen sein wird. Auch die Grünen ahnten, das es nicht zum Besten für sie steht und starteten eine „Aufholjagd-Kampagne“ – mein Leserbrief dazu:

„Eine jener eingängigen „Weisheiten“ die mir von meiner Ausbildung zum akademischen Supervisor & Coach am eindringlichsten hängen geblieben sind, war, in Organisationen immer Ressourcen dafür einzuräumen, zu bedenken und zu analysieren, was denn bei allfälligen Prozessen, Entwicklungen oder Entscheidungen „die Folgen nach den Folgen“ sein könnten, um eben unerwünschte negative Auswirkungen nach Möglichkeit mit entsprechender Professionalität hintan zu halten.

Wenn die Grünen jetzt eine „Aufholjagd“  inszenieren, erlebe ich das „als Flucht nach vorne“. Ich nehme nicht wahr (aber ich bin kein Insider), dass der zuletzt gelebte politische Alltag (selbst)kritisch aufgearbeitet und reflektiert wurde. Denn erst dann wäre bei  Erweiterung des Wissenstandes ein guter und versierter Überblick über nötigen und sinnvollen Handlungsbedarf und eine entsprechende Evaluierung der Positionierung gegeben bzw. hätte es – bei konsequenter ständiger Reflexion – wohl manche Entfremdungsszenarien die für die aktuelle Situation verantwortlich sind – möglicherweise erst gar nicht geben müssen!

„Geht’s Dir gut – oder lernst gerade was?“ meinte mein seinerzeitiger Kommunikationstrainer bereits zu Beginner der 80iger Jahre! Nur: „Lernen“ braucht auch Zeit – das ist wenige Wochen vor den Wahlen ziemlich spät!“

Es kam dann auch, wie ich es erahnte – Die Grünen schafften den Einzug in den Nationalrat bei der Wahl 2017 nicht!

Als im Parlament vor der Nationalratswahl im Jahr 2019 noch beschlossen wurde, dass 45 Arbeitsjahre für eine Pension ohne jegliche Abschläge ausreichen (diese Regelung wurde inzwischen ja wieder eliminiert) und der Bundesrat dieser Regelung noch zuzustimmen hatte, wendete ich mich telefonisch an den damaligen Grünen Bundesrat David Stögmüller: Ich legte ihm die vielen Ungerechtigkeiten dieser Regelung dar (keine Anrechnung auf die 45 Arbeitsjahre von Präsenz- oder Zivildienst, keine Anrechnung von Zeiten eines AMS-Bezuges oder Zeiten von Bezug von Krankengeld, keine Anrechnung von Zeiten in denen eine Umschulung über eine Stiftung stattfindet – da ja auch hier das AMS zahlt etc.) und bat ihn, sich die Sache genau anzuschauen und auch noch mit anderen Bundesräten zu besprechen. Denn: Die Regelung beinhalte in der gegebenen Form jede Menge an Diskriminierungen: Nur wer nie ein Problem mit der Gesundheit oder dem Arbeitsplatz gehabt hätte, sei davon betroffen. Und bei der Stellung Untaugliche hätten auch einen Vorteil! Er sagte mir zu, sich bei mir noch zu melden. Ich habe nie wieder etwas von ihm gehört. Der Bundesrat beschloss die Vorgabe der Bundesregierung – Hinterfragt wurde offensichtlich nichts!

Als ich im Zuge eines arbeitsrechtlichen Prozesses wahrnahm, dass eine Behindertenvertrauensperson (die ja Kündigungsschutz inne hat) gekündigt wurde, da der Richter – ohne ärztlichen Befund und ohne fachärztliches Gutachten – die Argumentation des Dienstgebers übernahm, auf Grund einer Persönlichkeitsstörung könne der Mitarbeiter seine hauptberufliche Tätigkeit nicht mehr ausüben, Justizministerin Alma Zadic über diesen – für mich völlig unakzeptablen – Sachverhalt informierte, kam eine einzeilige Antwort, sie wäre dafür nicht zuständig.

Seit dem Jahr 2008 wurde das amtliche Kilometergeld in der Höhe von 0,42 Cent und 0,05 Cent pro Mitfahrer nicht mehr erhöht. Hier ist ArbeitnehmerInnen schon ein massiver Verlust durch die fehlende Erhöhung entstanden (z. B. wenn jemand in der Hauskrankenpflege beschäftigt ist und mit dem eigenen PKW fährt). Gleichfalls schon seit Jahren nicht erhöht wurde der Tagsatz in Höhe von 26,40 Euro sowie der Nächtigungssatz in Höhe von 15,00 Euro – wie auch die Auslandstag- und Nächtigungssätze. Diesbezüglich habe ich bereits vor einem Jahr Bundeskanzler Karl Nehammer und Vizekanzler Werner Kogler geschrieben. Eine Antwort habe ich von beiden nicht erhalten.

Im Jahr 2022 schrieb ich alle 6 Landtagsparteien an: In meinem Schreiben ging es um den Pflegenotstand in Oberösterreich. Ich teilte den Parteien eine Erfahrung meiner Frau Hannelore mit, die seit 1992 als Diplomierte Behindertenpädagogin bei assista Soziale Dienste tätig ist, vor mehr als einem Jahrzehnt nach Absolvierung eines Aufschulungsmoduls „Unterstützung bei der Basisversorgung“ (UBV) von ihrer Berufsbezeichnung zur Diplom-Sozialbetreuerin Behindertenbegleitung umbenannt wurde. Hannelore hat zusätzlich eine dreijährige berufsbegleitende Ausbildung an der Universität Krems zur „Akademischen Beraterin sowie Lebens- und Sozialberaterin“ absolviert und besitzt auch eine Ausbildung zur „Sexualpädagogischen Fachbegleiterin für Menschen mit Beeinträchtigung“. Seit Jahrzehnten ist sie im Pflegebereich bei assista tätig – hat aber keine pflegerische Ausbildung wie z. B. Pflegehelferin oder ein Diplom als Gesundheits- und Krankenschwester. Als sie bei assista im Jahr 1992 zu arbeiten begann, wurde sie voll in die Pflege eingeschult und verrichtete sämtliche Pflegetätigkeiten (außer jene, die ausnahmslos dem diplomierten Krankenpflegepersonal vorbehalten waren). Im Laufe der Jahre veränderte sich die Gesetzgebung und sie durfte im Pflegebereich offiziell – da die Ausbildung fehlte – kaum mehr etwas machen. Aber: Wenn junge MitarbeiterInnen zu arbeiten begannen, die eben Pflegeausbildungen abgeschlossen hatten, war sie es oftmals, die diese einschulte und ihnen zeigte, was in der Alltagspraxis pflegerisch bei den behinderten Bewohnern zu bewerkstelligen war – und was sie selbst eben nicht mehr tun durfte. Eine völlig verrückte Konstellation. Ich habe mich erinnert, dass seinerzeit, als das damals neue Berufsbild des Pflegehelfers kreiert wurde, die Frage war, was macht man mit dem bis dato gängigen Beruf der Stationsgehilfin oder des Stationsgehilfen? Die Lösung war, dass je nach bisherig verbrachter Berufszeit eine Aufschulung in unterschiedlicher Länge zu absolvieren war und jene, die schon länger – ich glaube es waren 15 Jahre – diese Tätigkeit ausgeübt hatten, mussten lediglich eine mehrwöchige Aufschulung absolvieren und wurden ohne Prüfung nach Vorlage der Kursbestätigung zu Pflegehelfern. Genau ein solches Vorgehen habe ich den 6 Landesparteien bei langjährig in der Pflege arbeitenden Diplom-Sozialbetreuerinnen Behindertenbegleitung vorgeschlagen, denn meine Frau ist ja nicht die einzige Mitarbeiterin, die eine solch paradoxe berufliche Situation erlebt. Eine Antwort kam nur von den Neos und von der MfG, die mich sogar zu einem Gespräch einlud, um noch mehr zu diesem Sachverhalt zu hören. Von den 4 größeren Parteien im OÖ. Landtag kam keine Antwort. Eben auch von den Grünen nicht, wo Rudi Anschober mir als Gesundheitsminister vor der Pandemie noch zugesagt hatte, mit Hannelore und mir darüber ein Gespräch zu führen. Dazu kam es eben auf Grund der Covid-Situation dann nicht mehr. Die Ausbildung zur Pflegehelferin kostet berufsbegleitend zwei Jahre Zeit. Eine Kollegin von Hannelore, gleichfalls mit 30jähriger Praxis und ausgebildete Diplom-Sozialbetreuerin-Behindertenbegleitung hat diese tatsächlich absolviert – ihr Resumee: Neues hat sie dabei nicht wirklich gelernt, sie hat die Zeit halt abgesessen. Im Kollektivvertrag der Sozialwirtschaft gibt es 9 Gehaltsgruppen: Pflegehelfer werden in die Verwendungsgruppe 6 eingestuft, Diplom-Sozialbetreuer höher, in der Verwendungsgruppe 7. Natürlich könnte der Arbeitgeber dann sagen, wir benötigen die Tätigkeit der Pflegehelferin und stufen daher neu ein, was einen Gehaltsverlust nach sich ziehen würde! Soziallandesrat Hattmannsdorfer (ÖVP) holt sich auch lieber Pflegekräfte aus den Philippinen als sich zu überlegen, wie jahrtzehntelange Praktikerinnen zu einem Pflegeausbildungsabschluss kommen könnten – Schade!

Am 27.04.2023 veranstaltete der Verein WI(e)SO, wo ich auch als Vorstandsmitglied tätig bin, im VAZ in Oberndorf bei Schwanenstadt, eine Podiumsdiskussion „Letzte Generation – Reden wir darüber“. Die Veranstaltung wurde von mir moderiert. Im Vorfeld schrieb ich dem Bundesministerium für Klima- und Umweltschutz und bat um die Information, ob die Aussage der „Letzten Generation“ richtig wäre, dass die Regierung keinen Klimaplan hat. Als Moderator wäre es mir wichtig, diese Feststellung zu überprüfen. Ich habe keine Antwort bekommen.

Das sind nur einige Auszüge aus dem Nichtkommunizieren der Grünen: Ich könnte noch weitere fehlende Antworten anführen.

Der jährliche Demokratiereport, den das V-Dem-Institut der Universität Göteborg herausgibt, hat Österreich 2022 nun nicht mehr als liberale Demokratie, sondern nur mehr als bloße Wahldemokratie eingestuft. Darunter ist zu verstehen, dass Bürgerinnen und Bürger zwar ihre Stimme abgeben dürfen, abgesehen davon fehlen markante Bedingungen, die eine Demokratie ausmachen.

Meine persönliche Erfahrung kann das nur unterstreichen! Als Bürger ist man für die PolitikerInnen nur vor einer Wahl interessant, danach ist man – wenn man mit ihnen in Kontakt treten will – bestenfalls nur lästig. Laut Paul Watzlawick kann man gar nicht „nicht kommunizieren“. Keine Antwort, keine Reaktion oder das Abweisen einer Zuständigkeit zeigt also eine sehr eindeutige Reaktion!

Natürlich ist das Nichtkommunizieren mit der Basis kein Privileg der Grünen. Das ist mir auch von anderen Parteien sehr vertraut. Bei meinen Versuchen mit Landes- oder Bundespolitik in Kontakt zu treten, schneiden wohl die Neos am Besten ab – da kommt im Regelfall immer eine Rückmeldung. Nie ohne Antwort blieb seinerzeit Landeshauptmann Josef Pühringer – was immer man über ihn denkt, er hat immer reagiert und im Regelfall durchaus ausführlich zurück geschrieben. Am ehesten funktioniert es bei persönlichen Bekanntschaften – mit Rudi Anschober war und ist für mich bis heute – immer ein Dialog möglich. Loben möchte ich auch den Rudi Hemetsberger, den ersten Grünen Bürgermeister Oberösterreichs. Mit ihm klappt die Kommunikation als Landtagsabgeordneter.

Den ehemaligen Landesrat Josef Ackerl habe ich offensichtlich so genervt, dass er mich auf Facebook gesperrt hat. Landesrätin Birgit Gerstorfer, bei der ich mit Kritik nie gespart habe, hat das Kommunizieren mit mir besser ausgehalten – sie ist nach wie vor auf Facebook „mit mir befreundet“.

Christian Aichmayr

Mein seinerzeitiges Interview vom April 2018 mit Werner Kogler:

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