Die neue Landesregierung in Oberösterreich ist gewählt. Die ÖVP, die im Vergleich zu 2015 an die 4 % verloren hat, besetzt 5 Landesräte, die FPÖ, die mit Verlusten von beinahe 40 % im Vergleich zu 2015 sehr großzügig verloren hat, besetzt 2 Landesräte. Und diese beiden Parteien haben wie vor 6 Jahren wieder eine Koalition gebildet (vor 6 Jahren vermied man das Wort „Koalition“ tunlichst und wich auf andere Sprachregelungen wie „Arbeitsübereinkommen“ etc. aus).
Wir haben eine Proporz-Regierung in Oberösterreich, was nun heißt, dass auch die SPÖ und die GRÜNEN wieder einen Landesrat stellen. Was heißt Proporz nun konkret: „Es gibt eine Zuweisung von Ämtern entsprechend den Mehrheitsverhältnissen“.
Das Proporzsystem galt in den Nachkriegsjahrzehnten als stabilisierender Faktor, da alle zentralen Akteure gemeinsam an der politischen Macht beteiligt wurden und sich um einen Ausgleich der Interessen bemühen mussten. In der Praxis schließen heute zwei oder mehrere Parteien, die sich auf eine Mehrheit im Landtag stützen können, eine Koalition – oder eben ein Arbeitsübereinkommen. Sie bestimmen damit die Verteilung der Ressorts und die Politikgestaltung. Jene Parteien, die nicht am Arbeitsübereinkommen beteiligt sind, sind in ihrer Machtausübung ziemlich begrenzt und ihre Stimmen für Regierungsbeschlüsse nicht notwendig.
Dass eine Mehrheit eine Minderheit überstimmt ist zur Kenntnis zu nehmen und entspricht den üblichen politischen Gepflogenheiten und der demokratischen Gesinnung. Aber was soll der Proporz? Bei der heurigen Bildung der Landesregierung wurden zentrale Bereiche, die bislang die SPÖ (Soziales) und die Grünen (Integration) inne hatten, von der ÖVP einfach annektiert – und das wohl ohne vorher gemeinsam mit den beiden Regierungspartnern zu sprechen. Das ist de-facto eine „Demütigung“ und eine „Machtpräsenz“, die es in sich gehabt hat. Von meinem Zugang her ist der Proporz damit entsorgt worden – denn mit „Augenhöhe“ oder „Wertschätzung“ oder einem „Miteinander“ hat das nicht im Geringsten zu tun. Zähneknirschend haben die beiden Landesräte der SPÖ und der Grünen das wohl zur Kenntnis nehmen müssen. Sie dürfen nun mit beschnittenem Aufgabengebiet ihre Landesratsfunktionen für 6 Jahre ausüben.
Es stellt sich die Frage, warum hier nicht klar signalisiert wurde – „macht Euch doch nun alles selbst“ und damit der Weg in eine klare Oppositionsarbeit frei gemacht worden wäre. Aber ein bisschen Macht, ist wohl immer noch besser als gar keine – und so spielt man halt einfach mit! Das Proporzsystem in Oberösterreich wird ja schon lange im Hinblick auf die Sinnhaftigkeit hinterfragt – die jetzige Vorgehensweise hat deutlich gezeigt, was die ÖVP und die FPÖ davon halten …
Christian Aichmayr