Als ich 1980 im privaten Sozialbereich zu arbeiten begann, war Ing. Hermann Reichl Sozialreferent. Er war für mich damit aber auch schon der Einzige, der bei Besuchen in Einrichtungen auch direkt auf MitarbeiterInnen zuging, sie interessiert nach ihrer Tätigkeit fragte und sich dann bei ihnen für ihr Engagement bedankte. An eine solche Begegnung mit ihm erinnere ich mich noch, als ich als 22jähriger im Sekretariat bei assista (damals noch Behindertendorf Altenhof) arbeitete und mit ihm rasch in ein Gespräch verwickelt war, nachdem ich ihm im Foyer begegnete und er geradewegs auf mich zuging.
Alle Landesräte für Soziales, die nach ihm diese Funktion besetzten, konnten ihm diesbezüglich nie das Wasser reichen. Natürlich hatten sich die Zeiten nach und nach immer mehr verändert, der Sozialbereich wurde neu nach wirtschaftlichen Maßstäben bemessen, was Landesrat Josef Ackerl seinerzeit als notwendigen Paradigmenwechsel bezeichnete. Konkret hieß das, die Einrichtungen hatten nicht mehr angebotsorientiert sondern nachfrageorientiert ihre Leistungen anzubieten. Das Verrechnungssystem wurde komplett umgestellt. Den 2004 eingeführten BAGS KV interpretierte er in eigenwilliger Art – nicht auf Basis arbeitsrechtlicher Grundlagen. Ganz schwierig wurde es für Einrichtungen (bzw. deren MitarbeiterInnen), die – mangels eines früheren einheitlichen Entlohnungsschemas – Gehaltstabellen führten, die über dem BAGS KV lagen. Wenig goutiert wurde die Situation, dass einige Male die jährliche Kollektivvertragserhöhung von ihm nicht an die Einrichtungen weiter gegeben wurde. Erschwerniszulagen waren ihm sowieso ein Dorn im Auge. Zu Zulagen die laut KV betriebsintern paktiert werden konnten, kam es wohl ohnehin nicht mehr, da die ganze Diskussion schon völlig zerfahren war. Jährliche Demos zum KV Abschluss folgten mit berechnender Sicherheit, wie Ostern auf Weihnachten. Der Jahreskreis wurde um diese Gemeinschaftsveranstaltungen erweitert. Man lernte dabei rasch: Josef Ackerl ist gegen die MitarbeiterInnen, diese sind für ihn nur Zahlen und Kostenfaktoren auf zwei Beinen. Die persönliche Wertschätzung für sie wurde abgeschafft.
Dafür erklärte er bei seinem Abschied, die Geschäftsführungen hätten sich in seiner Ära von ihm gut entwickeln lassen (meine Wahrnehmung dazu: Diese wurden mehr und mehr zu Ja-Sagern und Abnickern degradiert – Widerspruch und Kritik wurden nicht geduldet). Augenhöhe? Diskurs? Gar nicht daran zu denken! Als Dank für ihre Bereitschaft letztlich alles ohne große Widerrede mitzutragen zeichnete er diese dann noch im Gießkannenprinzip als „Konsulenten für Soziales“ aus.
Als Birgit Gerstorfer Landesrätin wurde, habe ich um ein Gespräch ersucht (nachdem mich AK-Präsident Dr. Josef Kalliauer, mit dem ich mich zuvor persönlich ausgetauscht hatte meinte, ich möge mich an sie wenden) wo sie vorab wusste, es ging um heikle Themen im Sozialbereich. Sie hat es abgelehnt, mit mir zu sprechen, da half dann auch eine Intervention ihres Landesratskollegen Rudi Anschober für mich nichts. Schlechte Nachrichten über kriminelle Vorgänge im Sozialbereich – Nein, das wollte sie gar nicht hören. Nicht hören wollte das im Vorfeld schon auch Peter Binder, der mir darlegte, meine Informationen dürften niemals an die Öffentlichkeit, denn sonst hätte der gesamte Sozialbereich immense Schwierigkeiten. Jetzt hatten wir also eine Landesrätin, die nicht bereit war, sich mit Themen wie Korruption und Betrug in ihrem politischen Verantwortungsbereich auseinanderzusetzen. Ihre Devise: Am besten gar nicht hinschauen. Ich habe damals viel über politische Verantwortung gelernt . Ist nicht, wer Korruption vertuscht und negiert, letztlich auch Mittäter?
Der Niedergang der SPÖ ist daher meines Erachtens auch ihrem Agieren im Sozialbereich geschuldet, der ja personell nicht allzu klein ist. Irgendwann war es mal spannend im Sozialbereich zu arbeiten, Ideen zu haben, innovativ zu sein und sich Ziele zu setzen. Nachdem es heute nur mehr um „warm, satt, sauber“ geht und die vorhandenen Ressourcen oft dazu gar nicht mehr reichen, haben die Arbeitsplätze massiv an Attraktivität verloren. Mit in die Verantwortung ist auch die ÖVP zu nehmen, die all die Jahre das Finanzressort inne hatte. Sie hat natürlich auch nie besonderes Interesse gehabt, den Sozialbereich finanziell nach den gegebenen Bedürfnissen auszustatten. Das politische Kalkül damit der SPÖ zu schaden, ist voll aufgegangen.
Einzigartig war in der Ära von Birgit Gerstorfer auch der Umstand, dass ihr im Dezember 2017 von Landeshauptmann Mag. Thomas Stelzer mit Hofrat Dr. Dieter Widera ein Kurator beigestellt wurde. Der ehemalige Leiter der Landesholding wurde beauftragt, die Budgetzahlen im Sozialressort zu prüfen um dann direkt an die Landesspitze zu berichten. Konkret soll der Sonderbeauftragte dabei das Projekt „Sozialressort 2021“ und die Budgetplanungen im Bereich des Chancengleichheitsgesetzes (Ausgaben für behinderte Menschen) unter die Lupe nehmen. Demütigender geht es wohl nicht mehr, dachte ich. Aber Nein – es ging sogar noch mehr: Nach der Landtagswahl im Herbst 2021 wurde ihr als Landesrätin das Sozialressort von der ÖVP entzogen. Mag. Wolfgang Hattmansdorfer nimmt die Funktion des Landesrates nun wahr. Recht viel blieb ihr nicht mehr an Kompetenzen – bestenfalls geduldet in der von der ÖVP dominierten Landesregierung. Das ist der Proporz, das Miteinander in Oberösterreich. Dem politischen Mitbewerber das Leben schwer machen – ein Miteinander sieht für mich anders aus! Warum dann SPÖ und GRÜNE weiterhin auf ihren Landesratsfunktionen beharren und nicht gleich die ÖVP mit Koalitionspartner FPÖ den ganzen Kram selbst machen sollen, bleibt für mich rätselhaft. Das Proporzsystem ist tot!
Etwas verwundert war ich auch über die deutsche Expertise zum Zustand der OÖ. SPÖ. Die Gewerkschaften hätte zu viel Einfluss oder so ähnlich wurde kolportiert. Von meinem Zugang her haben die Gewerkschaften viel Zugang zum beruflichen Alltag der Menschen. Mag sein, dass ihr Agieren nicht immer ideal und fehlerfrei ist. Nur wer ist das schon? Auch ich habe da immer wieder mal Kritik geübt. Aber sie sind fachlich im Hinblick auf Arbeitsrecht bestens informiert, können da auch vernetzt denken und wissen im Regelfall, wie bei gesetzlichen Änderungen die Folgen nach den Folgen aussehen. Wer sollte sonst das Basisthema „Arbeit“ vertreten, welches in unserer Gesellschaft ja durchaus bedeutend ist? Sie sind ein wichtiger Player in der Politik!
Ob nun mit dem Abgang von Birgit Gerstorfer die SPÖ in Oberösterreich wieder in Schwung kommt, ist abzuwarten. Jedes Mal wenn sich in der Politik ein neues Gesicht zeigt, wird dies mit entsprechendem Lob bis hin zur Begeisterung kommentiert. Mag. Michael Lindner wird einiges beweisen müssen! Ein Spaziergang steht ihm nicht bevor! Ich drücke ihm mal die Daumen und werde mal schauen, ob er bereit ist, mit mir ein Radiointerview zu führen!
Christian Aichmayr