Aus einem E-Mail Austausch mit Univ.-Prof. DDr. Nikolaus Dimmel
Die vielbesungene Freiheit, über die Falter-Bobos, Verfassungsrechtler und Feuilletonisten wie Alfred Noll so intensiv diskutieren ging und geht mir nicht ab.
Überwachungsstaat und digitaler Kapitalismus war schon vorher.
Was die Leute unter Freiheit verstehen war vor/gestern zu sehen: „Hunderte Meter vorwiegend männliche Warteschlangen vor den Baumärkten“ (wahrscheinlich wird es den Männer schon fad, ihre Frauen zu Hause zu prügeln; Veronika erzählt grausliche Geschichten aus dem Anwaltsalltag)
Was spannend wird:
Was kommt danach ?
Grundeinkommen, Massenarmut, asiatische „Informalität“ auf komplett deregulierten Arbeitsmärkten, Wiederverstaatlichung oder Komplett-Privatisierung ? Austerität für alle ? Oder Neokeynesianismus ?
Nach 40 Jahren neoliberaler Vermarktlichungsverblödung drängt sich eine Position auf, für einen starken, vorsorgenden, auch autoritär agierenden „ideellen Gesamtkapitalisten“ aufzutreten, der die Alten, Kranken, Schwachen schützt, indem er die Freiheit der distanzlosen Spaßzombies ohne Maske beschränkt und ggf. abstraft.
Ich optiere für einen Staat , der 20 Millionen Schutzmasken im Stauraum hat, 20 Spitalsbetten pro 1000 EW vorhält und aus dem Sterben weder Markt noch Triage macht. Wir zahlen die Feuerwehr ja auch nicht nur dann, wenn es brennt. Und der im Ausnahmezustand auf sozial inklusive Weise handlungsfähig ist.
Was doch zur Rede steht, ist, wie transparent, objektiv nachvollziehbar und verhältnismäßig dieser idelle Gesamtkapitalist im Ausnahmezustand agiert.
Davon (Transparenz, Nachvollziehbarkeit) gibt´s aber wenig zu sehen.
Zum einen kommt der Messias jeden Abend um 19:30 im TV und wird von der Kärntner Geschäftsführerin des
Jungbäuerinnen-Verbandes angebetet, um anderen etabliert man die Wirtschaftskammer als Haberer-Sozialamt, das freihändig über den ökonomischen Untergang von EPU´s entscheidet.
Daher kann der Messias auch akklamiert von einer „Wiederauferstehung“ nach Ostern sprechen und meint doch nur die Rettung seiner Wahlkampf-Finanzierer und Klientelen.
Was also in diesem klerikal-faschistoiden Sozial-Labor vorbereitet wurde ist quasi die Generalprobe für einen demokratiebefreiten Dauer-Notstand in der bereits angelaufenen Klimakatastrophe.
Die probieren aus, was geht. Dass der Kurze gesagt hat, es sei ihm schlicht wurscht, ob das verfassungsrechtlich hält, weil bis der VfGH das judiziert, vergeht eh noch viel Zeit und dann ist das
Virus jedenfalls kontrollierbar usw., zeigt, dass ihm rechtsstaatliche Erwägungen ziemlich fern sind.
Daher ist die vielbeschriebene Rückkehr zur „kontrollierten Normalität“ schlicht Quatsch.
Was danach kommt ist nämlich nicht mehr mit dem alten finanzmarktgetriebenen Regime vergleichbar, sondern eine neue Qualität der „Vielfachkrise“.
Der Pfaller hat in Science-APA grad die Denkfigur verbreitet, dass sich die Liberalität einer Gesellschaft nicht an dem Umstand, dass sie in Notsituationen zum Ausnahmezustand übergeht, sondern vielmehr daran bemisst, ob sie Mechanismen besitzt, um aus diesem wieder in einen „demokratischen Normalzustand“ zurückzukehren.
Ist das der, wo die Armen nicht nur 10-15 Jahre kürzer leben als die Reichen, sondern doppelt so häufig am Corona sterben ? Die Sache ist ja die, dass es einen als demokratisch zu qualifizierenden Normalzustand gar nicht (mehr) gibt bzw. gegeben hat. Vielmehr einen der Post-Demokratie & Post-Politik. Das gilt als „normal“. Aber wollen wir dahin „zurück“ ?
Wie hat der Schmitt doch so schön gesagt: Souverän ist, wer über den Ausnahmezustand entscheidet.
Dieses Volk ist nicht souverän.
Und es lernt auch nix: wurde doch jetzt sichtbar, wer wirklich „systemrelevante Akteure“ sind.
Eben nicht: Banken.
Sondern: AltenpflegerInnen, Infrastruktur-ArbeiterInnen, Gesundheitspersonal, Müllabfuhr und – trenner, VerkäuferInnen und RegalschlichterInnen, Postzusteller usw.
Und ? Werden die jetzt besser bezahlt ?
Selten war das Nicht-Gesagte so interessant wie jetzt