SPRACHLICHE VIELFALT IM FRIAUL – WIE WÄRE ES MIT EINER PARTNERGEMEINDE FÜR RUTZENHAM?

Mein Bruder Prof. Mag. Dr. Michael Aichmayr ist gerade dabei, ein echter Spezialist für die autonome Region Friaul-Julisch Venetien zu werden und beschäftigt sich intensiv mit dem an Kärnten und Osttirol angrenzenden Landstrich. Dieser umfasst die Provinzen Udine, Pordenone und Gorizia sowie Trieste.  Friaul liegt zwischen Venetien im Westen, den Karnischen Alpen im Norden (Grenze zu Kärnten), der Republik Slowenien im Osten und der Adriaküste im Süden. Das zur Hälfte gebirgige Land am Rand der Südalpen geht im Westen in die norditalienische Tiefebene über. Flächenmäßig erstreckt sich die Region über 8.240 km2 und entspricht damit nicht ganz der Größe von Kärnten.

Seit ich im Gemeinderat von Rutzenham vertreten bin, würde es mir gefallen, wenn die kleinste Gemeinde Oberösterreichs über eine Partnergemeinde im Ausland verfügen würde. Das wäre ein wenig ein Aufstoßen einer Türe in eine andere Welt – Partnergemeinden pflegen kulturelle Kontakte, besuchen sich auch gegenseitig und erleben – wenn diese in einem anderen Nationalstaat liegen – einfach auch andere Bedingungen, Lebensumstände und regionale Besonderheiten. Nachdem sich Michael zuletzt mit Sprachinseln im Friaul auseinandergesetzt hat, haben wir im Juni 2022 einige Tage gemeinsam in Sauris/Zahre in den karnischen Alpen verbracht. Diese Gemeinde liegt zwischen 1.200 und 1.400 Metern Höhe, umfasst 41 km2 und hat knapp 400 Einwohner. Der Höchststand an Einwohnern wurde 1951 registriert – damals lebten dort knapp 900 Menschen. Danach kam es wie sonst im nördlichen Friaul zu einer kontinuierlichen Abwanderung. Seit dem Ende der 1990er hat sich die Bevölkerungsstand stabilisiert. Das lokale Arbeitsplatzangebot ist durch Fremdenverkehr und Wurstwarenerzeugung für die Montagna Friulana außergewöhnlich gut. Wir hatten dabei auch die Möglichkeit, den Firmengründer Beppino Wolf persönlich kennen zu lernen – der Prosciuttio der Fa. Wolf ist etwas milder als jener von San Daniele – und auch die weiteren Produkte dieses Betriebes schmeckten ausgesprochen lecker.

Entdeckt haben wir auch eine Brauerei, die 5 unterschiedliche Sorten Bier herstellt. Einer Sorte davon „Canap“ ist Hanf beigemischt – eine Kostprobe davon habe ich auch unseren Wirtsleuten Alfons und Dorothe Baldinger sowie unserem Bürgermeister Anton Helmberger mitgebracht. Diese Brauerei führt auch eine kleine Gaststätte mit Gastgarten, als Kellnerin konnten wir eine junge Ukrainerin kennenlernen. Seit einigen Jahren baut die Gemeinde den Fremdenverkehr aus und stellt dabei ihre ganz besondere deutschsprachige Tradition heraus, um so auch die Abwanderung vor allem der jungen Leute zu stoppen und ihnen wirtschaftliche Perspektiven am Ort zu eröffnen. Die Gemeinde hat dabei beachtliche Erfolge zu verzeichnen und erlebt derzeit einen Aufschwung. Aufgefallen ist uns bei unserem Aufenthalt in der landschaftlich wunderschönen Bergregion, dass z. B. im heimischen Supermarkt keine Mehrwertsteuer verrechnet wurde. Offensichtlich eine Überlegung, um die Menschen anzuhalten, im eigenen Ort einzukaufen.

Jahrhundertelang führten die Bewohner in ihrem extrem isoliert gelegenen Dorf ein kärgliches Leben als Bergbauern und teilweise Wanderhändler. Der wichtigste Zugang in das Tal, über den im Wesentlichen Weidevieherzeugnisse (Butter, Käse, Schinken) aus- und in dem Alpental nicht herstellbare Produkte (Salz für Mensch und Tier, Öl, Essig, Reis und Weizen …) eingeführt wurden, war der Passo Pura nach Ampezzo (ca. 8 Stunden zu Fuß).

In den Jahren 1919 bis 1934 wurde eine schon im 19. Jahrhundert geplante Straße von Ampezzo in das Sauris-Tal gebaut, mit einer 105 m hohen Brücke über den Lumieifluss; damit wurde der Zugang zu den Talorten (Lateis, Sauris di Sotto (Unterzahre), Sauris di Sopra (Oberzahre) etc.) sehr erleichtert. Zwischen 1941 und 1948 wurde der Stausee von Sauris mit einer 136 m hohen Staumauer gebaut – im Einsatz waren seinerzeit auch neuseeländische Kriegsgefangene (!) – einer der höchsten der Welt; der im Stausee verschwundene Ortsteil La Maina wurde oberhalb des Sees wieder aufgebaut. Der westliche Zugang nach Sauris ist auch heute noch sehr mühsam und im Winter monatelang unmöglich.

Apropos Winter: Unser Wirt, bei der wir wohnten und nächtigten, erzählte uns – im Winter 2021/22 sei so viel Schnee gefallen, dass er aus dem 1. Stockwerk ins Freie kletterte. Was den Wintersport in Sauris anbelangt – da dürfte nicht allzu viel los sein, wir haben nur einen aufgelassenen Schilift mit zugesperrter Talstation samt geschlossenem Gasthaus entdeckt. Zum Wandern im Sommer eignet sich die Gegend aber optimal – sicher nicht vergleichbar mit den überlaufenen Wanderwegen bei uns.

Ich hatte zur Sicherheit mein Aufnahmegerät miteingepackt: Sollten wir jemanden Kennenlernen, der uns den alten Dialekt im Rahmen eines Radiobeitrages vorstellen möchte, dann hätte ich davon Gebrauch gemacht. Natürlich lernten wir Leute kennen, die den alten Dialekt kannten und uns diesen sogar in einigen Sätzen vorstellten. Doch alle meinten, für einen Radiobeitrag bräuchte es Jemanden, der diesen besser beherrscht: Und jeder kannte Jemanden, auf den oder die er uns dabei verwies. In der Schule wird dem alte Dialekt einmal wöchentlich eine Unterrichtsstunde gewidmet.

Eine Gemeinde, die lediglich um 100 Einwohner mehr hat, wie Rutzenham und noch die Besonderheit einer Sprachinsel aufweist, wäre doch eine interessante Partnergemeinde – so meine Überlegung! Mal schauen, ob sich dieser Gedanke weiter verfolgen lässt!

Christian Aichmayr

Und nun noch ein wissenschaftlicher Artikel meines Bruders, über die Sprachinseln im Friaul:

MICHAEL AICHMAYR ©

Räume von Sprache und Kultur inFriaul Julisch-Venetien

Die Sprachenvielfalt in Fraiul Julisch-Venetien gliedert sich bei 1.197.295 Einwohnern (1.1.2022) folgendermaßen: Italienisch (allgemeine Verständigungssprache), Friulanisch (ca. 700.000), Slowenisch (ca. 80.000), mit Sprachen slawischer Volksgruppen, z.B. Val di Resia (ca. 1000, ehemals bis zu 3000 Sprechende), Deutsch (Tarvisio/Tarvis-Camporosso/Saifnitz-Malborghetto/Wolfsbach-Valbruna-Pontebba/Pontafel, Sauris/Zahre, Paluzza/Palutsch – Timau/Tischelwang/Tischlbong, Sappada/Bladen-Pladen/Plodn, Gorizia/Görz, Triest, ca. 4.000 als Muttersprache)

Diese vier Sprachen gelten als in der Region als Amtssprache (siehe: Amtliche Tafel am Parlament der Region Friaul-Julisch-Venetien in Triest!)

Die Vielfalt der Region Friaul am Schnittpunkt romanischer, germanischer und slawischer Kulturen spiegelt sich auch in ihren Sprachen, Sprachinseln, Regionalsimen und Dialekten:

Deutsch (historisch): Deutschsprachige Bevölkerungsgruppen waren mehr oder weniger stark im nördlichen Friaul ansässig, und zwar bis heute noch in folgenden Gebieten:

1) Das Kanaltal von Pontebba bis Tarvis, das wie Triest der Österreichisch-Ungarischen Monarchie angehörte,

2) Sauris/Zahre,

3) Sappada, in der nördlichen Carnia an der Grenze zum Cadore,

4) Timau/Tischlbong, unterhalb des Plöckenpasses, das seit 1813 zur Gemeinde Paluzza/Palutsch, ebenso in Karnien, gehört.

ad 1) Kanaltal: a) Malborghetto Valbruna-Wolfsbach- Malborghèt Valbrune ist eine viersprachige Gemeinde.

b) Tarvisio-Tarvis mit den Fraktionen Fraktionen Coccau-Goggau, Fusine in Valromana-Weißenfels, Cave del Predil-Raibl, Camporosso-Saifnitz, Rutte-Greuth, Lussari/Luschari;

Im Jahr 1880 hatte die damalige Marktgemeinde Tarvis 2953 Einwohner. Davon waren 2735 deutsch- (93 %) und 137 slowenischsprachig (5 %). 1909 erhielt sie das Stadtrecht. Bis 1918 gehörte sie wie ein Teil von Pontebba zum Herzogtum Kärnten.

ad 2) Sauris-Zahre (s.u.), ad 3) Sappada-Plodn (s.u.), ad 4) Timau/Tischlbong (s.u.),

Des Weiteren wurde Deutsch von repräsentativen Teilen der Bevölkerung in den Provinzen Gorizia (ca. 12 %) und Triest (ca. 10 %) gesprochen. Heute findet sich in diesen Provinzen Deutsch manchmal (vorwiegend in Gorizia/Görz, Cormòns/Cormons und Trieste/Triest) noch als Muttersprache.

Insgesamt sprechen heute noch ca. 4.000 Menschen in der Region Friaul Julisch-Venetien Deutsch als Muttersprache, ca. weitere 8.000 Bewohner, deren Groß- und Urgroßeltern Deutsch gesprochen haben, und in deren Familien die deutsche Sprache gepflegt wurde, verwenden die deutsche Sprache, vor allem in den Provinzen:

Gorizia – Gorizia/Gorice/Gorica/Görz (84 m, 34.034 Ew) und

in der Stadt Triest – Trieste/Triest/Triest/Trst (Meereshöhe, 203.334 Ew)

sowie im Tarvisiano, auch im Rahmen von Kulturvereinen. Diese verfügen über sehr gute deutsche Sprachkenntnisse.

Sprachen neben/mit Italienisch: Friulanisch (ca. 700.000), daneben Triestinisch (mit zahlreichen Ausdrücken aus der Küche der Österreichisch-Ungarischen Monarchie, s.u.)

Slowenisch, Sprachen slawischer Volksgruppen (ca. 80.000),

z.B. Slawisch – Val di Resia (492 – 720 m, 932 Ew, ehemals bis zu 3000 Sprechende – „Alt-Slowenisch“? – „Kosakisch?“): Fraktionen: San Giorgio, Resia, Prato di Resia, Gniva, Oseacco, Stolvizza (Museo della gente Val Resia), Cernaperic, Coritis, Borgo Lischiazze: Lingua Resiana.

Jenes, westlich der Fella, vor dem Zusammenfluss mit dem Tagliamento, gelegene Seitental, das zu vier Ortschaften (Resia, Prato, Oseacco, Stolvizza) in einer Höhe von 1300 führt, beherbergt eine altslawische Sprachinsel, deren Ursprünge bis heute ungeklärt sind. Die ehemals etwa 3000 Resianisch sprechenden Menschen, haben eine eigene Literatursprache begründet. Da im 20. Jahrhundert viele Bewohner aus dem Bergtal abgewandert sind, wird dieses heute nur mehr von 944 Einwohnern (31.12.2019) bewohnt. Die Wurzeln der Sprache lassen sich nur teilweise auf das Slowenische zurückführen, sprachhistorisch handelt es sich auch um altrussische Einflüsse, es wurde hier der Terminus „kosakisch“ gewählt. Es besteht die Annahme, dass die Besiedlung des Resia-Tales durch ostslawische Siedler erfolgte, welche durch das Patriarchat von Aquileia im Mittelalter zur Urbarmachung von Bergtälern eingeladen wurden.

Deutsch:

1) Im Kanaltal bzw. im Tarvisiano ist die deutsche Sprache mosaikartig verbreitet, zumindest wird sie aber von vielen Kulturvereinen gepflegt:

Tarvisio/Tarvis/Trbiz (715 m, 4110 Ew): Sprache im Kanaltal (Val del Canale) und im Seebachtal (Val Rio del Lago): Oberkärntnerisch

Camporosso/Cjamparos/Saifnitz/Zabnice (816 m, Fraktion von Tarvisio): Sprache der Freiwilligen Feuerwehr: Deutsch

Weitere Fraktionen von Tarvisio: Coccau-Goggau, Fusine in Valromana-Weißenfels, Cave del Predil-Raibl, Rutte-Greuth, Lussari/Luschari

Malborghetto/Malborgeth/Wolfsbach (721 m) -Valbruna/Wolfsbach (807 m ges.) – Ugovizza/Uggowitz/Ukve (775 m, Fraktion von Malborghetto-Valbruna), gesamt: 908 Ew)

Pontebba/Pontebe-Ponteibe/Pontafel/Pontabelj (568m, 1348 Ew),

Zusammenhängende deutsche Sprachinseln:

2) Sauris/Zahre (1212 m bzw. 1020-1390 m, 394 Ew), Fraktionen: Sauris di Sotto (Zahre-Dörf), Sauris di Sopra (Zahre-Plozn), Velt, Latéis (Latais), La Maina, Sprache: Sauranisch, De zahrar sproche

Die deutsche (altbairische) Sprachinsel Sauris mit Sauris di Sotto (Zahre-Dörf, 1212 m) und Sauris di Sopra (Zahre-Plozn/Ouberzahre, 1363 m), dazwischen mit Borgo Velt (Velt, 1264 m), des Weiteren auch mit dem etwas abgelegenen Lateis (Latais, 1225 m) und den Resten von La Maina (Ame Lataise) 1020 m) am Lago di Sauris ist die höchstgelegene Gemeinde des Friaul! – kein Ort bzw. Haus befindet sich unter 1000 m) unter den über 2000 m hohen Gipfeln des Monte Bivera (2474 m) und des Monte Tinisa (2112 m). In der „germanischen“ Ortssprache „Zahre“ genannt, war diese Sprachinsel über Jahrhunderte weitgehend abgeschnitten, was auch durch den Bau von Häusern aus Holz und Stein („stavoli“), die zum Großteil noch alle erhalten sind, und die Gastronomie deutlich wird. Es wird stets auf das idyllische Ortsbild geachtet, so verlaufen etwa alle Stromleitungen unterirdisch, Sauris di Sopra, Velt, Lateis (Latais).

Aufgrund der Lage ist ein Auspendeln zur Arbeit schwierig, die meisten Arbeitsplätze bietet deshalb der Ort selbst, vor allem mit Holzbetrieben, die sich auch dem Kunsthandwerk widmen. Für die Karneval-Bräuche werden in die im Ort angefertigten Holzmasken verwendet. Die Tradition der Schnitzwerke ist eng mit der Tiroler (Schnitz-)Kunst verbunden. Bedeutend ist die lokale Webkunst; Die Fa. Schneider stellt an traditionellen Handwebstühlen Teppiche, Kissenbezüge und Tücher her.

Traditionsreich sind Schinken und Speck aus Sauris, deren Herstellung durch die besondere Lage mit den klimatischen Bedingungen des Ortes ermöglicht wird. Die Fa. Wolf erzeugt seit 1862 den Sauris-Schinken (jährlich ca. 50.000 Keulen), der als würziger und saftiger als der San Daniele-Schinken gilt, durch das Räuchern mit Buchenholz aus den umliegenden Wäldern etwas rustikaler wirkt und mit Bergkräutern gewürzt ist. Daneben werden Würste und Speck erzeugt, die leicht geräuchert sind. Das traditionelle Schinkenfest findet am zweiten und dritten Wochenende im Juli statt, das Käsefest Mitte August.

In Sauris di Sotto (1212 m) beherbergt die auf das 14. Jhdt. zurückgehende Kirche Sant’Osvaldo (ein Daumen des Schutz-Heiligen der Pestilenzen wird als Reliquie verehrt) einen gotischen Flügelaltar aus Holz von Nikolaus von Bruneck (1524). Der Pfarrhof verfügt über ein Museum zu den religiösen Bräuchen der Gegend und über die Geschichte der Kirche sowie über eine am Mittwoch und Sonntag geöffnete Bibliothek, u.a. mit Werken in der sauranischen Sprache. An einem Sonntag im August findet eine Prozession mit der Statue des hl. Osvaldo, Schutzpatron gegen Epidemien, statt.

In Sauris di Sopra (1363 m) sind die Häuser durch mehr Holzelemente mit langen Holzbalkons gekennzeichnet und reihen sich in noch loserem Verbund aneinander. In der gotischen Kirche San Lorenzo (14. Jhdt.) mit dem 1604 errichteten Glockenturm, befindet sich ein Holz-Flügelaltar (heute in der Kapelle) von Michael Parth (um 1551) mit einem ungewöhnlichen Altarbild des Letzten Abendmahls auf Holz sowie mit weiteren Bildern zur Passion Christi. Die geschlossenen Flügel zeigen die Verkündigung. Bekannt ist Sauris di Sopra auch durch seine Brauerei, die das ungefilterte „Zahre-Bier“ erzeugt, dessen Zutaten vorwiegend aus Österreich stammen. Bedeutsam sind auch die Sennereien von Sauris für die Käseherstellung, insbesondere für den geräucherten Ricotta.

Lago di Sauris (977 m): Unterhalb von Sauris befindet sich der Lumiei-Stausee in 977 m Seehöhe, der am 30. Mai 1948 eröffnet wurde; 1948 galt der Staudamm am mit 136 Metern Höhe als höchster Europas; durch ihn musste das Dorf La Maina, unterhalb von Lateis, mit damals etwa 60 Einwohnern weichen. Die ehemalige Kirche und einige Häuser stehen noch in diesem Weiler direkt am See. Am Taleingang lädt der „Lago di Sauris“ (auch Lago di Maina) auch zum gemäßigten Wassersport ein.

„De zahrar sproche“ wird u.a. in vielen Dokumenten im „Haus van der Zahre“ („S’Haus“) Centro etnografico“, dokumentiert. Das Haus repräsentiert den typischen „Stavolo sauriano“ mit drei Stockwerken und einem autonomen Eingang zum ersten Stockwerk. Hier sind die alten Bräuche und Lebensweisen in Verbindung mit Handwerk und Religion dargestellt. Was die Sprache betrifft, handelt sich um eine süddeutsche Mundart, mit ausgeprägtem Kärntner Einschlag aus dem Lesachtal, da von dort die meisten Einwanderer aus dem 13. Jahrhundert stammten. Es finden sich noch zahlreiche Bezüge zum Alt- und Mittelhochdeutschen. Manche Siedler sind aber auch aus Tirol zugezogen. Urkunden aus dem 13. und 14. Jh. belegen, dass sich diese Siedler in Dörf (Sauris di Sotto) und Plotsn (Sauris di Sopra) sowie in Latais (Lateis) niedergelassen haben.

Das „Sauranische“ wurde über Jahrhunderte mündlich überliefert, erst seit Mitte des 19. Jahrhunderts gibt es auch noch repräsentative erhaltene schriftliche Aufzeichnungen. So verfasste damals Pfarrer Giorgio Plozzer eine Übersetzung des lateinischen Katechismus für die einheimischen Kinder. Inzwischen gibt es eine hohe Anzahl an literarischen, vor allem lyrischen Werken. Seit ca. 1960 erscheint auch das Pfarrblatt in der Zahrer-Sprache (Titel: „De Zahre reidet“ – Die Zahre redet). Zur Weihnachtszeit wurden und werden stets die bis ins 16. Jh. zurückreichenden „Sternliedlan“ (Sterngesänge/lieder) gesungen. Inzwischen ist die Sauraner-Sprache Teil des Unterrichts in der Grundschule, aber auch im Kindergarten. Gemäß amtlicher Erhebung sprechen heute 70% der Einwohner (394 Ew., 1.1.2021) die Zahrer Sprache. Die Abwanderung der Bevölkerung aus dem Gebirge betrifft leider auch die „Sprachinseln“, und somit nicht nur Sauris : 1961 gab es hier 761 Einwohner, 1981 waren es nur noch 577 und 1991 nur noch 466 Bewohner. Heute (394 Ew) versucht man auch durch den zunehmenden Tourismus die Menschen im Ort zu halten.

Sprachbeispiele:

Substantiva: Substabtiva: „de plueme“, „de mueter“, „da pame“, „da bosser“ (Wasser), „bont“ (Wand), da walt, da prueder,

Sg.: it. il cerchio, zahrerisch: da(r) tšérkli, deutsch: der Kreis/Zirkel

Pl.: it: i cerchi, zahr. de tšérklis, dt. die Kreise/Zirkel

it. Pl. le cipolle, zahr. de čivólas, dt. die Zwiebeln

it. molta rabbia, zahr. an šíe(a)n tsóurn, dt. ein großer Zorn

it. Sg./ Pl. amico-amici, zahr. vraint-vrainte, dt. Freund/Freunde. „vrainte“ wird Zahrerisch auch für Verwandte verwendet.

It. Pl. le spose, zahr. de novitšas, friul. lis novíčes, dt. die Bräute

Zahr.-Dt.: Adjektiva: „mear“, „guet“, „peissar“, „olt“,

Verben: zahr.: singe(a)n, dt. singen, zahr.: príne(a)n, dt. brennen, zahr.: khlogn, dt. klagen

Kurze Sätze: it. il vestito mi costa caro, zahr. de gebónt khest mi táier, dt. das Gewand kommt mir teuer

it. vorrei fumare una sigarette, zahr. i bilat pfáifn ána sigarétta, dt. ich möchte eine Zigarette rauchen

it. oggi sto meglio, zahr. háite štea i péisar, dt. heute geht es mir besser

3) Sappada /Plodn

Sappada/Bladen/Pladen/Plodn (1250 m, 1315 Ew), Sprache: Plodarisch, Sappadino

Westlich des Degano-Tales, demnach westlich von Forni Avoltri gelegen. Sappada gehörte einst zur Region Veneto und ließ sich gemäß Referendum (die Bestrebungen gehen auf das Jahr 2009 zurück) von 2017 dem Friaul zuordnen. Damals stimmten 95 % von 75 % Wahlbeteiligten für die Zugehörigkeit zum Friaul. Ursprünglich war Sappada bereits bis 1852 Teil des Friaul. Die Sprache, „Plodarisch“, ein bairisch-ost/südtiroler Dialekt mit Einflüssen aus dem Oberpustertal, der vor allem auf der Sprache von Einwanderern aus dem Pustertal und aus dem Villgratentals zur Förderung der Weidewirtschaft und des Bergbaus im 9. bis 11. Jh. beruht. Diese Sprache hat noch zahlreiche alt- und mittelhochdeutsche Elemente bewahrt. Die älteren Häuser sind alle im Tiroler Stil erbaut, und somit unterscheidet sich das Ortsbild deutlich von anderen Orten. Im Ersten Weltkrieg wurde die Bevölkerung verdächtigt, die österreichischen Truppen zu unterstützen und wurde deshalb durch Zwang zum Teil abgesiedelt. Im Zweiten Weltkrieg befand sich der Ort im Widerstand als Teil der Partisanenrepublik „Carnia libera“. Die Gemeinde erstreckt sich in ihren 14 Ortschaften auf etwa 5 km Länge zwischen 1200 und 1300 m Seehöhe südlich des „Jochkouvl“, des Hochweißensteins (Monte Peralba), ist ein beliebtes Wintersportgebiet am Übergang zwischen den Karnischen Alpen und den Dolomiten des Cadore-Gebietes und beherbergt die Piave-Quelle, die hier auf 2037 Höhenmetern unter dem Monte Peralba (2644 m) entspringt. Der Piave-Ursprung ist über eine 9 km lange Bergstraße erreichbar. Jede der 14 Ortschaften besitzt eine eigene Kirche. Von diesen Orten aus veranstaltet man regelmäßig Fußwallfahrten nach Kärnten, vor allem zur Basilika Maria Luggau.

In der am höchsten gelegenen Ortschaft Cima Sappada wurde wegen der dort noch zahlreich erhalten Bauernhöfe 2019 der Film „Ein verborgenes Leben“ über  Franz Jägerstätter unter der Regie von Terrence Malick (mit Bruno Ganz und Tobias Moretti) gedreht.

Die übliche Begrüßung unter Deutschsprachigen („i Plodar di Sappada“) in Sappada/Plodn lautet: „Gelopsis Chrischtis – in èabichkait!“ Das Plodarische ist der deutschen Grammatik näher als die weiteren, heute stark vom Friulanischen beeinflussten deutschen Sprachinseln des Friaul. Berühmt sind die „Plodar Vosenòcht“ und das „Plodar Fest Folk“ mit traditionellen Tanzgruppen im August.

Das Haus „Puicher s’Kottlars“ aus dem frühen 19. Jh. zeigt die ehemalige Lebensweisen mit Wohnhaus und Stall unter einem Dach, mit Speisestube (kòschtibe) und einem gemauerten Ofen (kòchlouvn) sowie die „kuchl“ mit einem offenen Herdfeuer (offns vair), ähnlich dem friulanischen focolar. Auch der alte Garten (gòrte) wurde historisch reaktiviert.

4) Timau/Tischlbong/Tischelwang

Timau/Tamau/Tischelwang/Tischlbong (830 m, 316 Ew, Fraktion von Paluzza), Sprache: Tischlbongarisch, Tischlbongerisch; Gemeinde Paluzza/Paluce/Palutsch (605 m, 2056 Ew.) – Sprache der Freiwilligen Feuerwehren: Deutsch

Unter dem Creta di Timau unterhalb des Plöckenpasses gelegen, brachten Einwanderer aus Kärnten (Bergleute aus dem Gailtal und dem Weissenseegebiet) und Osttirol ihren Dialekt in den im „Bûttal“ (Valle del But) gelegenen Ort, dessen Sprache sich dann verselbständigte. Es finden sich auch ladinische Sprachelemente. Heute sprechen noch alle älteren Menschen im Ort das „Tischlbongerische“ neben dem Deutschen, bei der jüngeren Bevölkerung gehen diese Sprachkenntnisse allerdings zurück, wobei laut Statistik 49 % der Bevölkerung unter 20 Jahren vollständig Deutsch beherrschen. Insbesondere der Tischlbonger Kulturverein „Cirkul Kulturaal“ ist um die Erhaltung der alten Sprache bemüht. 2003 verfügten 87 % der Erwachsenen Tischelwanger über Deutschkenntnisse, 70 % über eine vollständige Sprachbeherrschung des Deutschen. Auch im Kindergarten und in der Schule wird heute wieder Tischlbongarisch gelehrt.

Ein Dokument aus dem Jahre 1242 bezeichnet den Ort als „Teschilbang“, eines aus dem Jahre 1375 als „Teschelwanch“. Durch den florierenden Bergbau – es entstand auch ein Silberbergwerk – kamen weitere Einwanderer aus dem Norden, ab dem 18. Jh. ist der Ortsname „Tischlbong“ üblich. Im Ersten Weltkrieg geriet Tischlbong in den unmittelbaren Frontverlauf. Heute zeugen davon im Tempio Ossari die Gräber von 1764 Soldaten, davon 73 Österreich-Ungarns. Dieser Ossario beherbergt auch die Gebeine von Frau Maria Plozner Mentil, eine der über tausend Frauen, die als „Portratrici Carniche“ gewirkt haben, die also die italienische Armee in den Bergen mit Nahrung und Munition versorgten. Die Kaserne in Paluzza ist heute als Maria Plozner Mentil-Kaserne nach ihr benannt.

Während des Ersten Weltkrieges wurde ein Bild der „Madonna della Neve“ vom Venezianer Pietro Fragiacomo für Tischlbong angefertigt. Dieses war für die kleine Chiesetta di Pal Grande bestimmt. Am 2. November 1916 wurden der Ort und das Gebiet um die Kirche genau während der Einweihung des Bildes stark bombardiert, aber weder die Teilnehmer an der Zeremonie, noch die Kirche, noch das Bild kamen zu Schaden, ebenso bis zum Kriegsende blieb die Kirche unversehrt. Das Bild wurde danach in der Pfarrkirche von Tischlbong versteckt und dort verehrt. Bedeutsam ist das „Museo Storico La zona Carnia nella Grande Guerra Timau“ mit Dokumenten zum Ersten Weltkrieg. Hier wird nun auch das Bild der „Madonna della Neve“ aufbewahrt.

In Paluzza/Palutsch werden gemäß Auskunft des dortigen Pfarrers während der Gottesdienste gerne deutschsprachige Lieder gesungen.

Friulanisch/Furlanisch/Friaulisch (Friulano/Furlan)

Die Sprache gehört der ost-rätoromanischen Sprachfamilie an, aber verwandt mit dem Ladinischen und dem Graubündner Schweizer Romansch. Sie entwickelte sich zunächst als Dialekt aus dem Vulgärlateinischen und hat durch die geographische Lage alte Formen bewahrt und wurde zusätzlich besonders im Hochmittelalter stark durch Handelsbeziehungen aus den Gebieten des Venezianischen, des Deutschen und des Slawischen geprägt. Die ersten schriftlichen Aufzeichnungen finden sich in Verwaltungsdokumenten aus dem 13. Jahrhundert.

Die Sprache variiert heute stark nach Gebieten und selbst nach Ortschaften. In einem friaulischen Wanderführer heißt es: “Man wandert durch Dörfer, die sich scheinbar ähneln, aber durch die Sprache, die verschiedenen Klänge des Friulanischen unterschieden sind.” (“Il cammino celeste”.

Als verbindendes Zentrum des Friulanischen wird üblicherweise die Gegend um San Daniele del Friuli definiert. Von hier aus werden in dieser Variante auch Radio- und Fernsehprogramme ausgestrahlt.

Beispiele für Triestinisch

Die italienische Sprache war lange Zeit in Triest und seiner Umgebung nicht richtig ausgeprägt. Bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts wurde Tergestino gesprochen. Das Tergestino zog sich zurück, als der Einfluss anderer Sprachen und Dialekte zunahm.Es entwickelte sich ein neuer italienische regionale Sprachform, das Triestinische (italienisch Triestino, mundartlich Triestín). Dieser Dialekt ähnelt aufgrund der historischen Kontakte dem Venezianischen, enthält aber auch Elemente des Friulanischen, Slowenischen, Kroatischen, des Österreichischen, und des Griechischen und hier vor allem auch der „Seemannssprache“. Insbesondere im Bereich der Küche finden sich die Eigenheiten der Triestiner Sprache bewahrt:

Beispiele/Auswahl:

öst. Apfel                                     it. mela                                         tr. pomo

Biskuitroulade                             it. Rolata                                       tr. rolada

Gugelhupf                                                                                          tr. cuguluf

Gulasch                                        it. spezzatino                                tr. gulasch, gulash, golas

Kaffee                                           it. caffè                                         tr. cafè

Kipferl(n)                                     it. brioche                                     tr. chifeleti

Koch                                             it. cuoco                                       tr. koch

Kren     (dt. Meerrettich)             it. rafano                                       tr. cren

Marille                                          it. albicocca                                  tr. armelin

Palatschinke                                 it. crespella                                   tr. palacinca

Pofesen                                         it. fette di pane fritte                           tr. schnitte

Sardelle                                        it. alice                                          tr. sardon

Schlagobers                                 it. panna montata                           tr. panna montada

Semmel                                        it. panino                                      tr. panin/(kaiser)semmel

Wurst                                            it. salsiccia                                   tr. luganiga

Zwiebel                                        it. cipolla                                      tr. zivola.

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