Als Bürgerliste Rutzenham sind wir 2023 ULIS (Unabhängige Bürgerlisten OÖ’s) beigetreten. ULIS ist ein Verein der einen Austausch der Bürgerlisten untereinander anbietet. Bislang gibt es 20 Mitglieder, diese werden sich auf der Facebook-Seite von ULIS demnächst vorstellen. Das ist dabei der Vorstellungstext der Bürgerliste Rutzenham:
„Auf welche Weise stirbt der Mensch? Indem sein Herz aufhört zu schlagen; und das ist wohl die bekannteste Art. Oder auch indem er wird, wie die anderen; so sterben viele und man hat des nicht acht, sie selber merken es oft nicht das ganze Leben lang. Nur vielleicht einmal spät steigt es ihnen sekundenhaft auf, aber sie streifen es ab, wie ein Stäubchen am Kleid. Wenn man sich’s auswählen könnte, da weiß man‘s nicht, und wenn man’s weiß, hat man die Wahl nicht mehr. Dies ist die Regel.“
Dieser Spruch stand in dieser Form im Herbst 1979 auf einem Wahlplakat der neugegründeten PUM in Schwanenstadt, die sich damals entschloss erstmals für den Gemeinderat zu kandidieren. Triebfeder dieser neuen politischen Gruppierung war Heini Staudinger, heute bestens bekannt als GEA-Geschäftsführer in Schrems in Niederösterreich und als unabhängiger Kandidiat bei der letzten Bundespräsidentschaftswahl am 9. Oktober 2022.
Ich war damals 21 Jahre jung und kandidierte auf Platz 7 – insgesamt waren wir 26 Kandidaten. Die PUM schaffte ein Mandat und zog in den Gemeinderat ein, wo sie bis heute (aktuell mit 4 Mandaten) vertreten ist.
Bei der PUM zu sein, war meine persönliche politische Sozialisation. Ich kam aus einem „schwarzen“ Elternhaus und war mit der Welt unzufrieden. Ich empfand sie langweilig und eng! Ich wollte mitgestalten und mitformen und keinesfalls ein Mitläufer sein! Selbst Hand anlegen sowie laut, klug und frech sein: Es waren turbulente Zeiten, die mich sehr geprägt haben, mich wachsen ließen und ich auch meine Selbstwirksamkeit entdeckte. Allerdings verunsicherten wir offensichtlich die Staatspolizei: Von mir wurde ein Akt angelegt, ich habe Jahre später in diesen Einsicht nehmen können. Wer Lust hat, kann sich gerne meinen Radiobeitrag über 40 Jahre PUM Schwanenstadt anhören, in dem ich auf die seinerzeitigen Aktivitäten näher eingehe und diverse Interviews enthalten sind: https://de.cba.media/435663
1996 übersiedelte ich in die kleinste Gemeinde OÖ’s, die Gemeinde Rutzenham. Bereits im Jahr 1985 hatten zwei ehemalige Hauptschulkollegen von mir dort die Bürgerliste gegründet und waren auf Anhieb mit 2 Mandaten in den 9-köpfigen Gemeinderat eingezogen.
1997 kandidierte ich erstmals bei der Bürgerliste auf Platz 4 und fungierte als Gemeinderat-Ersatzmitglied. 2003 wurde ich als Obmann gewählt – diese Funktion übe ich seit damals aus. Aktuell haben wir 300 Einwohner, sind aber – da Rutzenham auch Kirche, Kindergarten und eine 8-klassige Volksschule in der Ortschaft Bach hat, auch das Zentrum der umliegenden Nachbargemeinden). Zeitgleich mit meinem Einzug in den Gemeinderat schloss ich meine Ausbildung zum Mediator mit einer Diplomarbeit mit dem Thema „Mediation als Konfliktregelungspotential auf Gemeindeebene, Der Versuch eines Angebotes in der kleinsten Gemeinde Oberösterreichs, der Gemeinde Rutzenham“ bei der ich den gesamten Gemeinderat bei einem Konfliktverhaltenstest mit einband und die Auswertung in die Arbeit einfließen ließ. Ich denke, ich habe mir durch diesen Einstieg einiges an Anerkennung und Wertschätzung geholt.
Irgendwie war ich damals noch sehr vermessen und dachte, Politik soll auch Spaß machen. In der Bürgerlistenzeitung kreierte ich eine parodistische Kunstfigur in einer Kolumne, die Kommentare zum Gemeindegeschehen von sich gab. Nach der 2. Kolumne wurde ich von der ÖVP zu einer Krisensitzung geladen, bei der es einigermaßen emotional zuging. „Wenn uns Du den Bürgermeister abschießen willst, dann musst Du ihn dann selber machen, von uns macht ihn keiner!“ Bei einem Glas Nussgeist am nächsten Tag wurde die Irritation endgültig bereinigt – meine Kolumne erschien kein 3. Mal. Meine Erkenntnis: Politik ist eine ernste Sache, da hat Parodie keinen Platz. Schade, denn diese Seite von mir, kann ich in diesem Bereich nicht ausleben!
Bei der Gemeinderatswahl 2021 ist die Bürgerliste Rutzenham zum 7. Mal angetreten – zwei Mandate sind es wieder geworden, wobei wir nun auch (nach 12 Jahren) wieder im Gemeindevorstand sitzen, nachdem wir 3 Stimmen mehr geschafft haben als die FPÖ. Insgesamt hatten wir 18 Funktionen zu bekleiden und da wir zu Dritt kandidiert haben, wollten wir diese gerecht aufteilen und haben uns auf je 6 Zuständigkeiten abgesprochen. Wichtig war meinem Gemeinderatskollegen Heinz Mittermayr und mir, dass wir unser Ersatzmitglied Mag. Martina Beck auch mit Fixbesetzungen in Ausschüssen betrauen.
Den Umgang miteinander erlebe ich sehr sachlich, ergebnisorientiert und empathisch. Als Abgangsgemeinde ist es nicht immer einfach, Ideen fließen zu lassen – die realen Gegebenheiten lassen oft wenig Gestaltungsspielraum.
In den OÖ. Nachrichten erschien zuletzt im Februar 2024 ein Artikel über die 20 ärmsten Gemeinde Oberösterreichs. Führend und damit ärmste Gemeinde war Rutzenham – Parameter waren die Einnahmen durch Grundsteuer, Kommunalsteuer und Ertragsanteile. Diese wurden mit 330.000,– angesetzt. Das wir also nicht nur die kleinste, sondern auch die ärmste Gemeinde sind, war mir bislang nicht bewusst. Das Alltagsleben bei uns erlebe ich keineswegs arm, sondern durchaus reichhaltig. Und bei 300 Einwohnern ist halt alles auch sehr überschaubar – man kennt sich.
Ich schätze unsere Unabhängigkeit: Nie bin ich gezwungen gewesen, irgendetwas von einer übergeordneten Stelle in unserer Zeitung zu veröffentlichen oder etwas argumentieren zu müssen, hinter dem ich selbst nicht stehe. Intern ist bei uns vereinbart, es gibt keinen Klubzwang – und das wurde im Laufe der Jahrzehnte auch immer wieder bei Abstimmungen gelebt. Und generell: Von meinem Zugang her geht es im Gemeinderat darum, dass für unsere Gemeinde im Hinblick auf Weiterentwicklung sachlich gemeinsam nach den besten Lösungen gesucht wird. Die sachliche und persönliche Ebene in der Gemeindearbeit nicht zu vermischen – das ist auch eine Wertvorstellung von uns.
Auf unserer website https://www.buergerliste-rutzenham.at/ nehme ich oft auch Stellung zu gesellschaftspolitischen Themen, die über die Gemeindegrenzen hinaus gehen. Gerne nutze ich dabei auch meine Möglichkeiten Themen zu besetzen, als Radioredakteur und Sendungsmacher in den Freien Radios.
Die Bürgerliste Rutzenham ist aktuell 39 Jahre alt – darauf bin ich stolz. Wir sind keine „Eintagsfliege“ – wir haben Kontinuität! Außer Kommunalpolitik kam für mich persönlich im politischen Bereich nie etwas in Frage – meine Einblicke in die höhere Politik haben mich davor immer zurückschrecken lassen! Vor allem erlebe ich im Regelfall, dass Landes- und Bundespolitik kaum bereit sind, mit der Basis zu kommunizieren. Wenn ich mich inhaltlich einbringen will, ist das Warten auf Antworten meist vergebens. Das entspricht nicht meinem Verständnis von Politik!
Kurz noch einen Überblick über die Mandatsbesetzung in Rutzenham:
- Von 1945 bis 1979 gab es nur 9 ÖVP Gemeinderäte
- 1979: 8 ÖVP, 1 FPÖ
- 1985: 7 ÖVP, 2 Bürgerliste (Hubert Glück / Helmut Köttl)
- 1991: 6 ÖVP, 3 Bürgerliste (Hubert Glück / Helmut Köttl / Maria Wohlschläger – Ersatz: Mag. Hermann Wohlschläger-Aichinger)
- 1997: 7 ÖVP, 2 Bürgerliste (Maria Wohlschläger / Erich Glück – Ersatz: Mag. Hermann Wohlschläger-Aichinger, Christian Aichmayr, Margit Wimmer)
- 2003: 6 ÖVP, 3 Bürgerliste (Christian Aichmayr / Rainer Haid / Erich Glück – Ersatz: Maria Wohlschläger)
- 2009: 7 ÖVP, 2 Bürgerliste (Christian Aichmayr / Mag. Karl Scheuringer)
- 2015: 5 ÖVP, 2 FPÖ, 2 Bürgerliste (Christian Aichmayr / Mag. Karl Scheuringer – Ersatz: Mag. Martina Beck)
- 2021: 5 ÖVP, 2 Bürgerliste (Christian Aichmayr, Heinrich Mittermayr – Ersatz: Mag. Martina Beck), 2 FPÖ
Christian Aichmayr, Gemeindevorstand, Bürgerliste Rutzenham